NOCH LAMPENFIEBER ODER SCHON AUFTRITTSANGST?
„An Ihrem Lampenfieberworkshop möchte ich (noch) nicht teilnehmen – denn das, was ich habe, worunter ich leide, ist viel schlimmer als Lampenfieber!“, begründete vor einiger Zeit eine Klientin ihre Entscheidung gegen den Workshop und für das Einzelcoaching. Weiche Knie, zittrige kaltfeuchte Hände, ein heißer Kopf, ein heftig klopfendes Herz, das beengende Gefühl nicht mehr tief ein- und ausatmen zu können, ein staubtrockener Mund und der dicke fette Frosch im Hals… der Körper scheint in höchster Alarm- und Leistungsbereitschaft zu sein; was ist da noch anregendes kribbelndes Lampenfieber und was schon die pure Angst?
Ein exponiertes Auftreten ist per se gefährlich, denn abseits der „Herde“, der Gruppe sind wir Angriffen jeglicher Art schutzlos ausgeliefert. An sich reagiert unser Körper angemessen auf die von unserem Stammhirn als gefährlich eingeschätzte Situation und bereitet sich auf Kampf, Flucht oder Erstarrung vor. Doch bei allem vermeintlichen Automatismus und aller Ähnlichkeit der körperlichen Symptome gibt es eben doch Unterschiede im Umgang mit der Auftrittssituation:
Unruhe = Rückzug, Vermeidungsstrategien – Auftrittsangst
Unruhe = Erwartungen, Freude – Lampenfieber
Etymologisch betrachtet gehört der Begriff „Lampenfieber“ seit dem 19. Jahrhundert zum Standardwortschatz und bezeichnet die „Aufregung vor dem Auftritt“ (Friedrich Kluge). Anzunehmen ist, dass der Begriff im Zusammenhang mit den offenen Flammen der Gaslampen entstanden ist, die etwa seit den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts die Kerzen auf der Bühne abgelöst haben und die Vorderbühne, die Rampe, aufheizten. Im Französischen gibt es den Begriff „fièvre de rampe“ (Rampenfieber), im englischen hingegen spricht man von „stage fright“ – Bühnenangst. Damit sind wiederum die beiden Pole benannt, zwischen denen der Grad der Aufregung vor dem Auftritt liegen kann: fièvre – Fieber und fright – Angst. Ist es noch Lampenfieber oder ist es schon Bühnenangst?
Doch im Auftrittscoaching geht es weniger um Diagnosen als vielmehr darum, einen hilfreichen Umgang mit den körperlichen Symptomen zu finden und zu verstehen, was genau zu der Aufregung führt, um schließlich Wege zu einem selbstbewussten Auftritt zu finden – oder um im Bild zu bleiben – um zu erleben, wie sich blockierende Angst in ein kreatives Fieber auflösen kann.